Favoriten-Duell bei der Fußball-EM: Wunderbar und schlau
Bei 2:1 gegen England zeigt das französische Team Kreativität und Biss. Der Neuaufbau könnte schon bei diesem Turnier Früchte tragen.
Die später zur Spielerin des Spiels gekürte Delphine Cascarino sowie die beiden Torschützinnen Marie Antoinette Katoto und Sandy Baltimore mussten raus. Aber es wäre wohl kaum jemand auf die Idee gekommen, Bonadei Leichtsinn zu unterstellen. Denn mit Clara Mateo betrat ja die beste Vollstreckerin der französischen Liga den Rasen. Und die pfeilschnelle Kadidiatou Diani hatten nicht wenige sowieso in der Startelf erwartet.
Es grenzte fast schon ein wenig an Protzerei, wie Laurent Bonadei später über seine vielfältigen Möglichkeiten, ein Team aufzustellen, referierte. Seine Spielerinnen seien schnell, stark und sehr vielseitig. Eine jede könne das Spiel verändern. „Ich will gar keinen Stil haben“, erklärte er. „Im nächsten Spiel kann die Mannschaft anders aussehen.“
Mit Verweis auf die nächste Weltmeisterinnenschaft hat Bonadei sein Team stark verjüngt, aber am Samstagabend drängte sich der Eindruck auf, dieses Team kann bereits bei diesem Turnier viel erreichen. Beeindruckend war etwa die Präsenz der erst 21-jährigen Alice Sombath im Abwehrzentrum, die nun den Job von Wendie Renard, der kurz vor der EM ausgebooteten Ikone des Nationalteams, mit einer verblüffenden Selbstverständlichkeit und Klasse ausübt. „Sie hat wunderbar gespielt“, schwärmte Bonadei. „Sie ist sehr schlau und ermöglicht uns, unter Druck sauber zu spielen.“ Lobeshymnen hätte er aber ebenso auf Selma Bacha (24) und Baltimore (25) anstimmen können, die auf der linken Seite für viel Wirbel sorgten.
Penetrantes Pressing
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Die 28-jährige Cascarino wiederum ist unversehens zu einer Sprecherin der Erfahrenen im Kader geworden. „Wir haben so junge Spielerinnen, aber die haben sehr gut reagiert“, erklärte sie mit Blick auf die etwas schwierige Anfangsphase, in der England das gefährlichere Team war und aus einer hauchdünnen Abseitsstellung gar den vermeintlichen Führungstreffer erzielt hatte. „Etwas Angst“ sei in der Anfangsphase dabei gewesen, räumte Cascarino ein.
Doch gerade der größte Schreckmoment markierte eine Art Wendepunkt. Das französische Team übernahm die Spielkontrolle. Nicht durch viel Ballbesitz, sondern durch ein penetrantes Pressing, das England den Spielaufbau erschwerte.
Cascarino und Baltimore ließen mit ihren Sprintqualitäten immer häufiger die englischen Außenverteidigerinnen extrem langsam aussehen. Gerade im Falle von Lucy Bronze mit ihren fraglosen großen Verdiensten für das Nationalteam wird sich eine verstärkte Debatte um deren Ablösung wohl kaum abwenden lassen. Bei dem wunderschönen Dribbling und Treffer von Baltimore zum 2:0 wurde sie unfreiwillig gar noch zur Vorlagengeberin.
Der wilden Phase am Schluss nach dem englischen Anschlusstreffer von Keira Walsh (87. Minute), als plötzlich gar ein Remis wieder möglich war, konnte Trainer Laurent Bonadei im Angesicht des guten Ausgangs auch etwas abgewinnen. Die Spielerinnen hätten die Erfahrung gemacht, solch eine Phase ohne Gegentreffer überstehen zu können. Das stärke das Selbstbewusstsein. Und Bonadei hat ein paar Minuten Videomaterial dazubekommen, was noch besser werden muss. Es ist davon auszugehen, dass es von den Französinnen bei dieser EM noch einiges zu sehen gibt.
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